Immer mehr Geschwister – darunter auch viele Jugendliche – kehren den Kirchen den Rücken zu. Immerhin gibt es viele verlockende Freizeitangebote. Das heißt, dass viele Jugendangebote überdacht oder neu strukturiert werden müssen. Gibt es denn schon eine Bilanz von der „AG Jugend“?
Apostel: Zuerst einmal kurz zur Auswertung der Jugendumfrage der AG-Jugend. Ich war schlichtweg begeistert von der Teilnehmerquote die sich ergeben hat, wobei Pforzheim schon die Nase vorn hatte (lacht). Insgesamt lag die Beteiligung bei 20 Prozent. Das hört sich vielleicht erst einmal nach wenig an, ist es aber nicht, denn es waren 2163 Antworten, die wir ausgewertet haben. Normalerweise gibt nicht mal annähernd eine solche Rücklaufquote! Generell habe ich mich sehr darüber gefreut, wie vernünftig sich die Jugend in vielen Themen äußert. Es lassen sich wirklich sehr sehr viele, positive Gedanken ableiten. Zur AG-Jugend kann ich an der Stelle grundsätzlich folgendes sagen: Obwohl wir bisher erst ein einziges Treffen hatten – das Zweite wird erst im Januar stattfinden – hat sich schon gezeigt, dass es eine Menge von ermutigenden Meinungen gibt, die wir nun zusammenfassen und sortieren müssen. Mit den ersten Veröffentlichungen kann man dann vermutlich nach der zweiten Sitzung im Januar rechnen. Das erste Thema, das wir fokussiert haben – auch auf Bitte unseres Bezirksapostels – ist das Thema „Jugendstunde“. Dies bezüglich werden dann auch in absehbarer Zeit ein paar neue Infos folgen. Leider kann ich jetzt zum Thema „Freizeitangebote“ noch nichts sagen, weil das Augenmerk momentan einfach auf anderen Dingen lag, soweit sind wir noch nicht. Aber wir gehen dieses Thema nächstes Jahr an. Allerdings möchte ich an der Stelle auch schon mal verraten, dass sich die Jugend beispielsweise in Jugendgottesdiensten wünschen würde, wenn mehr jugendliche Diakone mitdienen würden. Das schafft mehr Abwechslung.
Dann noch ein kleiner Hinweis. Das Projekt der gemeinsamen Jugendgottesdienste der Bezirke Pforzheim, Bretten und Calw hat nichts mit der AG-Jugend zu tun. Das ist ein unabhängig davon gestartetes Projekt.
Bischof: Ja, vielleicht ist das nicht überall richtig angekommen. Der Bezirksapostel hat das Zusammenlegen der Bezirke – nur hinsichtlich der Jugend! – ins Leben gerufen. Das ist so eine Art Pilotprojekt im Arbeitsbereich Karlsruhe um Erfahrungen zu sammeln. Was dem Bezirksapostel sehr gefallen und imponiert hat – um das auch einmal klar zu sagen – ist, dass die Jugend in Pforzheim durch die gemeinsamen Jugendveranstaltungen wesentlich zur Fusion des Bezirks Pforzheim beigetragen hat. Dadurch, dass die Jugend bereits jahrelang als ein „Bezirk Pforzheim“ agiert hat, ist die Verschmelzung der beiden Bezirke Pforzheim Ost und West – zwar nicht reibungslos – aber sicher schneller und leichter über die Bühne gegangen. Aber noch einmal, das bedeutet nicht, das die Bezirke Pforzheim, Bretten und Calw zukünftig auch zusammengelegt werden. Dieser Eindruck soll nicht entstehen.
Apostel: Wichtig ist dem Bezirksapostel vor Allem, dass für die Jugend gute Angebote innerhalb der Kirche bereitstehen. Unter Anderem, dass sich die Jugendlichen untereinander besser kennenlernen und eventuell auch neue Plattformen für Kommunikation und Austausch geschaffen werden. Das ist ein Hauptgedanke bei diesem Projekt.
Mit der rückläufigen Mitgliederzahl unserer Kirche in Europa und anderen westl. Ländern geht auch ein „Stellenabbau“ der fest angestellten Amtsträger einher. Insgesamt eine traurige Bilanz. Aber gerade fest eingestellte Amtsträger sind so wichtig, weil sie sich allein auf ihre Aufgabe konzentrieren können. Manchmal wäre das auch im Jugendbereich wünschenswert. Ist das trotz der derzeitigen Situation vorstellbar?
Apostel: Bisher kenne ich kein Vorhaben dieser Art. Grundsätzlich bin ich persönlich der Meinung, dass gerade die ehrenamtliche Arbeit auch eine DER Stärken unserer Kirche ist. Der Vorteil liegt einfach darin, dass jeder aus unterschiedlichen Lebensverhältnissen kommt und einen anderen Beruf ausübt. Dadurch entsteht ein riesiger Erfahrungspool, dem sich die Jugendlichen während der Seelsorge natürlich auch bedienen können. Weil die Jugendleiter mitten im Leben stehen, das Gleiche erleben und auch das Gleiche mitmachen wie unsere Jugendlichen, öffnet sich ein ganz anderes Potential, als wenn man vielleicht hauptberufliche Jugendbetreuer engagiert. Die Frage ist eigentlich eher, wie es möglich ist, die Jugendleiter und -betreuer mit Schulungen und Weiterbildungen – gerade im Hinblick auf die seelsorgerische Betreuung – besser zu unterstützen. Das ist sicherlich auch ein Punkt, mit dem sich die AG-Jugend noch befassen wird.
Oft stehen die jugendbetreuenden Amtsträger/Geschwister in der Kritik, zu wenig für den gemeinschaftlichen Zusammenhalt der Jugend im Sinne von „Freizeitorganisation“ zu unternehmen. Auf der anderen Seite sind das ehrenamtliche Aufgaben, die NAK kann keine Freizeitorganisation sein. Was ist deine Meinung dazu? Gibt es da einen goldenen Mittelweg?
Apostel: Nun, es wird wahrscheinlich nicht DEN Mittelweg geben. Was man sicherlich anstreben muss, ist eine möglichst breitgefächerte Aufgabenverteilung. Leider gibt es oft Wenige, die Vieles in die Hand nehmen. Das hat selbstverständlich auch zur Folge, dass das für Diejenigen, die sich sehr intensiv einbringen auch sehr schnell sehr Viel wird. Also eine breitflächige Arbeitsverteilung wäre da definitiv wünschenswert. Ein anderer Punkt ist eine bessere Mischung der Aktivitäten. Vielleicht kann man kleinere, organisatorische Projekte direkt in die Hände der Jugend übergeben, ohne dass da ein Amtsträger in der Organisation nötig wäre. Aber das sind alles Themen, die noch in der AG-Jugend behandelt werden. Ich vermute allerdings auch, dass wir es nie ganz schaffen werden, einerseits allen Erwartungen gerecht zu werden und andererseits mit nur wenigen Kapazitäten agieren zu können. Ich glaube ein „Mittelweg“ stellt sich eher als Illusion dar, wir werden immer auch ein gewisses Dilemma haben, weil wir nie alle Bedürfnisse abdecken und erfüllen können. Was wir in der Jugendarbeit aber schaffen sollten, ist eine bessere und ausgewogene Mischung der Jugendangebote.
Lieber Apostel, lieber Bischof. Stellt euch bitte einmal vor, ihr würdet auf eine einsame Insel gehen. Was würdet ihr mit in den Koffer packen, wenn ihr 3 Dinge mitnehmen könntet (Bibel ist schon auf der Insel)?
Bischof: Den Urlaub auf so einer Insel könnte ich mir sehr gut vorstellen. Ich habe mir das aufgeschrieben. Also ich hätte gerne ein Motorboot dabei, aber nicht um wieder zu flüchten (lacht). Dann wäre sicher eine Angel nicht schlecht (wobei ich dann auch etwas fangen sollte) und natürlich wäre ein Laptop nicht zu vergessen, um auch die Verbindung nach außen halten zu können.
Lieber Bischof, nimmst du denn deine Frau nicht mit auf die Insel?
Bischof: Moment, ich dachte, es geht hier um DINGE! (lacht).
Apostel: Also ich würde spontan denken, wenn ich schon auf einer einsamen Insel bin, dann muss es möglichst angenehm sein. Also nehme ich mir einen wunderschönen, bequemen Liegestuhl mit, packe mir ein tolles Buch ein und eine Kühltasche mit einem schmackhaften Getränk (lacht). Aber nur wenn die Bibel wirklich schon da ist (lacht). Mit dem Blick aufs Meer kann man dann so richtig abschalten (wenn der Bischof nicht gerade mit seinem Motorboot das Meer unsicher macht) (lacht).
Gibt es noch etwas, was ihr euern Jugendlichen mit auf den Weg geben möchtet?
Bischof: Also ich möchte da von Vornherein nochmal eines unterstreichen, mit dem ich immer sehr tolle Erfahrungen gemacht habe. Der Apostel hat es ja auch schon angesprochen. Wer den lieben Gott bekennt, der darf auch erleben, dass sich der liebe Gott auch zu einem selbst bekennt. Auch dann, wenn es vielleicht am Anfang nicht danach aussieht. „Bitte geht offen mit dem um, woran ihr glaubt“. Das erlebe auch ich jetzt oft, wenn ich viel mit anderen Kirchen zu tun habe. Da ist eine große Akzeptanz da, wenn man sich für seinen Glauben einsetzt und für seine Kirche engagiert. Ich wünsche der Jugend, dass sie das auch erleben darf. Sicher ist es in der Schule oder im Beruf oft schwierig, keine Frage. Oft meint man zu glauben, dass sich Andere – ob Kollegen oder Klassenkameraden – über den Glauben lustig machen. Man befürchtet sozial an den Rand gedrängt zu werden und am Ende als Außenseiter da zustehen. Aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass das nicht der Fall ist. Sicher, es mag schon den Einen oder Anderen geben, der darüber lacht. Aber liebe Jugend, das ist meistens ein Lachen, das auf der Unsicherheit oder auf Unwissenheit basiert. Lasst euch davon bitte bitte nicht irritieren und lasst euch schon gar nicht davon abbringen, euren Glauben auch aktiv nach außen hin auszuleben.
Apostel: Das ist aus meiner Sicht auch ein ganz wichtiger Punkt. Steh zu dem was du tust, wenn es auch einmal – zunächst – heißen kann, eine Niederlage erleiden zu müssen, wie es unser Bischof gerade gesagt hat. Ich habe beobachtet, dass die Jugend sich oft sehr sprunghaft verhält und sich Jugendliche mal für ein Projekt engagieren und sich dann eine gewisse Zeit sehr zurücknehmen. Ich fände es sehr schön, wenn es uns gelänge, das was unsere Kirche 150 Jahre lang stark gemacht hat auch weiterhin lebendig zu halten. Nämlich die Bereitschaft sich einzusetzen, die Bereitschaft auch mal ein Opfer dafür zu bringen und auch die Bereitschaft die Gemeinschaft zu pflegen. Das sind Dinge die machen uns alle stark und es ist wichtig, dass die Jugend das auch erlebt. Es geht nicht darum, die Kirche oder den Glauben als Konsumveranstaltung bzw. als „On- Off-Show wahrzunehmen, sondern als Gemeinschaftswerk, dass uns alle gemeinsam ans Ziel bringt. Das kann auch eine sehr große Erleichterung sein, weil man einfach merkt „ich bin nicht alleine unterwegs“. Es wird jeder gebraucht und jeder darf seinen Teil zu diesem Gesamtwerk beisteuern.
Vielen Dank für Eure Zeit
Interview mit Apostel Schnaufer und Bischof Vester – Teil 1
Interview mit Apostel Schnaufer und Bischof Vester – Teil 2
Interview mit Apsotel Schnaufer und Bischof Vester als PDF – Teil 3